Gastbeitrag: Italienische Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland III

Finale! Dies ist der dritte und letzte Teil der Serie. Den Anfang machten “Die Klassiker” und “Die Vergessenen”. Im letzten Blogbeitrag wurden dann die Kategorien “Die Aktuellen”, “Die Bilderbücher” und “Die ganz jungen Autorinnen”behandelt. In diesem Blogbeitrag werfen wir schlussendlich einen Blick auf “Die erwachsenen Autor_innen”, “Die Fantasy-Autor_innen” und “Die Stillen”. Wir wünschen euch viel Spaß bei der Lektüre!

Die „erwachsenen“ Autor_innen

Eine Besonderheit in der italienischen Literaturlandschaft ist, dass Autoren, die normalerweise für ihre belletristischen Erwachsenentitel bekannt und hochgelobt sind, immer auch Bücher für Kinder und Jugendliche schreiben. Das haben bereits Dino Buzzati (1906-1972) mit „Wie die Bären einst Sizilien eroberten“ (Hanser, 2005, Ü: Heide Ringe) und Italo Calvino (1923-1985) getan. Momentan ist Calvinos Geschichte „Das schwarze Schaf“ (Ü: Burkhart Kroeber) in einer eindrucksvollen Collage-Version von Lena Schall bei mixtvision zu haben.

Zu Calvino, einer der größten italienischen Nachkriegsautoren, und Buzzati, einem Vertreter des Surrealismus, kann ich hier nicht mehr sagen, einfach weil es den Rahmen sprengen und zu sehr von den KJB ablenken würde. Aber auch Krimi-Autoren wie Carlo Lucarelli haben Exkurse zu den KJB gemacht. So konnten Jugendliche im Jahr 2000 die Romane „Das Mädchen Nikita“ und „Schüsse aus dem Walkman“ (später noch mal aufgelegt als „Mafia alla Chinese“) lesen. Diese zwei Romane spielen nun allerdings sehr in der italienischen Gegenwart – sodass sie eigentlich meiner Vermutung von oben widersprechen. [Bezieht sich auf die Vermutung aus dem ersten Blogpost, dass nur wenige italienische Kinder- und Jugendbücher ins Deutsche übersetzt werden, in denen allzu sehr die italienische Lebenswelt und Heimatliebe im Vordergrund stehen.] Doch in beiden Fällen handelt es sich um Krimis. Und Krimis wie Liebesgeschichten scheinen hin und wieder auch global zu funktionieren.

Die Fantasy-Autor_innen

Im Bereich Fantasy sind vor allem zwei Italienerinnen zu nennen: Silvana De Mari und Licia Troisi. De Mari ist seit 2010 mit „Der letzte Elf“ (Ü: Barbara Kleiner) bekannt, einer entzückenden Geschichte um einen kleinen, verlassenen Elf, der eine Prophezeiung erfüllen und den Menschen die Freude und Fantasy wieder bringen muss. Es gibt zwar in dieser Reihe noch drei Nachfolgebände, doch die bewegten sich so in Richtung High-Fantasy für Erwachsene, dass sie an den Erfolg vom letzten Elfen, der mittlerweile sieben Auflagen erlebt hat, nicht heranreichten. Licia Troisi hingegen ist hauptsächlich als Autorin von High-Fantasy für Erwachsene bekannt, hat jedoch auch eine Reihe für Jugendliche geschrieben: „Drachenschwester“ (Ü: Bruno Genzler). Von dieser ursprünglich fünfteiligen Reihe sind in Deutschland jedoch nur zwei Bänder erschienen.

2012 ist dann die „Nina“-Fantastik-Reihe von Moony Witcher erschienen (Ü: Julia Süßbrich/Gehring). Hinter dem Pseudonym verbirgt sich die Journalistin Roberta Rizzo, die die Reihe in Italien zwischen 2002 und 2017 herausgebracht hat. 2005 habe ich den ersten Teil begutachtet und – wie ich eben wieder nachgelesen habe – abgelehnt, weil er mir zu platt, zu esoterisch und ohne Zwischentöne geschrieben war. Mit einer altklugen Protagonistin, die immer gewinnt. Thienemann hat es fast zehn Jahre später wohl doch gefallen. Von den sieben italienischen Bänden sind vier auf Deutsch erschienen, zwei davon bereits vergriffen. Die weiteren Serien, die Witcher veröffentlicht hat, sind bei uns nicht übersetzt.

Dass angefangene Reihen von den Verlagen nicht zu Ende geführt werden, ist mir mehrmals passiert: Im KJB-Bereich mit Pierdomenico Baccalarios Reihe „Will Moogleys Geisteragentur“ (2009), von der ich zwei Teile übersetzt habe, aber nur einer davon je veröffentlicht wurde. Das habe ich nie richtig verstanden, denn es war eine sehr witzige Reihe für Jungs über eine Agentur für Geister und Spukgestalten in New York (auch hier wieder ein Cover von Iacopo Bruno, was den comicartigen Witz der Geschichte nur so gar nicht traf). Zudem gab es mal den Auftakt einer Trilogie von Miriam Dubini, „Aria. Das Schicksal fährt Fahrrad“ (2014), eine niedliche fantastische Engelgeschichte, die in Rom spielte – aber leider kein Publikum fand. Auch hier habe ich leider den zweiten Teil für die Schublade übersetzt. Aber auch das gehört zum Übersetzerdasein dazu.

Die Stillen

Dann gibt es noch Autor_innen, die ins Deutsche übersetzt werden, die jedoch kaum Beachtung finden. So beispielsweise Fabrizio Silei mit „Abseits. 1938. Ein Fußballer sagt Nein“ (Ü Edmund Jacoby, 2014) oder „Nonno und der rosa Hund“ (Ü: Kathrin Wolf, 2016). Lediglich sein Buch „Der Bus von Rosa Parks“ (Ü: Sarah Pasquay, 2011) wurde ein paar Mal besprochen und stand auf der Nominierungsliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2012, Sparte Sachbuch. „Mein filmreifer Sommer“ (Ü: Karin Rother) von Simona Toma von 2014 ist auch bereits vergriffen – und hat nicht einmal eine Bewertung auf Amazon.

Ohne Amazon-Rezension muss auch Paola Zannoners „Ausgewechselt“ (Ü: Ingrid Ickler, 2012) auskommen. Dieses Buch kenne ich nicht, doch ich habe andere von Zannoner angelesen und begutachtet. Sie kamen nicht für eine Übersetzung infrage, da sie mir vom Erzählton her nicht gefielen (laut meinem Gutachten, also meinem Leseeindruck von damals, hat sie einen moralischen Ton und erzählt eher distanziert von oben herab). Momentan lese ich den Roman „Im Ghetto gibt es keine Schmetterlinge“ von Matteo Corradini (Ü: Ingrid Ickler, 2017) über die Kinder im Ghetto von Theresienstadt. Das ist nun nicht gerade ein Thema, das Jugendliche aus eigenem Antrieb angehen. Dennoch ist es wichtig, dass auch solche Bücher übersetzt werden, selbst wenn sie wenige Leser finden.

Das alles mag jetzt vielleicht nach sehr viel aussehen – ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass ich hier im Schnelldurchlauf mehr als 100 Jahre Literaturgeschichte abgehandelt habe.

Sicherlich sind mir auch noch diverse Übersetzungen entgangen. Auf jeden Fall sind es natürlich längst nicht alle Publikationen oder Autor_innen, die in Italien selbst erschienen sind. Das wäre ja auch absurd zu glauben, alle Bücher würden übersetzt werden. Zwar wundere ich mich manchmal, dass langjährige Erfolgsautoren wie Roberto Piumini oder Bianca Pitzorno oder Premio-Andersen-Preisträger_innen nicht öfter ins Deutsche übersetzt werden, aber oft passen eben Inhalt, Erzählweise, pädagogischer Anspruch, italienische Lebens- und Erziehungswelten oder andere Fantasie-Konzepte nicht zu deutschen Leser_innen.

2023 wird Italien Gastland auf der Frankfurter Buchmesse sein. Bis dahin werden sicherlich noch so einige italienische Bilder-, Kinder- und Jugendbücher übersetzt werden. Ich werde in der kommenden Zeit intensiver die Augen offenhalten, was es im Land noch an Geschichten und neuen Talenten zu entdecken gibt. Und dann liefere ich in ein paar Jahren vielleicht ein Update zu Italiens KJB-Szene. Wenn Ihr Euch noch an weiter Bilder-, Kinder- und Jugendbücher erinnert, die ich hier nicht aufgeführt habe, schreibt mir doch bitte. Ich sammle sie dann. Mich erreicht Ihr unter ulrike.schimming@letterata.de.

 

Ein Kommentar zu „Gastbeitrag: Italienische Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland III

  1. Sehr interessant! Ich habe nur Fotobilderbücher (Pferde/ Marienkäfer) alles auf italienisch, und ein witziges Fotobuch, bei dem nur Finger abgebildet sind, die so angemalt und gestellt sind, dass sie eine Sportart darstellen. Faszinierend. Allerdings ohne Text.

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