Im Urlaub muss man Bücher lesen – so will es das Gesetz. Nun, zumindest verbringe ich so meine freie Zeit am liebsten. Auf der Couch lümmeln, vor unserem Camping-Caddy in Schweden oder, wie gerade geschehen, im Ferienhaus vor dem Kamin. Leider fehlt mir momentan die Ruhe und Konzentration mich intensiv auf einen Roman einzulassen. Die meiste Zeit des Tages habe ich nun einmal ein Baby auf dem Arm. Deshalb musste für den Urlaub ein Buch her, in dem ich immer mal wieder schmökern kann. Umso mehr habe ich mich gefreut, als mir in der kleinen Buchhandlung an der Ostsee “Berühmte Kinderbuchautorinnen und ihre Heldinnen und Helden” von Luise-Berg Ehlers in die Hände fiel.
Astrid Lindgren und J.K.Rowling kennt jeder. Aber sagt euch Pamela Lyndon Travers etwas? Oder Johanna Spyri? Erste schrieb “Mary Poppins”, letztere “Heidi”. Geschichten, die schon Generationen von Kindern geprägt haben. Warum also kennt man die Damen nicht? Wie so häufig, sind es hauptsächlich Männer, die den Kanon der Weltliteratur bilden. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit, traute man Frauen literarisches Talent nicht einmal zu. Frauen seien zu emotional, zu befangen. Ihre Texte seien höchstens Groschenromane oder Kinderbücher. Womit wir beim zweiten großen Missverständnis angekommen wären: Bis heute wird über Kinderliteratur gelächelt. Kinderliteratur sei nicht so anspruchsvoll wie Erwachsenenlektüre, so die einhellige Meinung. Doch wie so oft irrt die Masse.
Kindheitserinnerungen werden wach
In “Kinderbuchautorinnen und ihre Heldinnen und Helden” führt Luise Berg-Ehlers eine ganze Reihe talentierter Autorinnen auf, die ihren männlichen Kollegen meist weit voraus waren, ihnen zumindest aber in nichts nachstanden. Viele der aufgeführten Künstlerinnen waren emanzipierte Frauen, die Literatur zum Beispiel als Rückzugsort oder als subtile emanzipatorische Propaganda nutzten. Manche schrieben, um eine finanzielle Abhängigkeit zu überwinden, andere wollten ihre Gedanken einfach mit der Welt teilen und wählten dafür die vermeintlich harmlose Gattung der Kinderliteratur.
Ich habe die Lektüre des Buches sehr genossen. Mein Respekt gilt allen klugen Frauen, die ihre Gedanken niedergeschrieben haben und so nicht nur die Kindheit vieler Generationen geprägt, sondern auch Generationen von Mädchen stark gemacht haben. Selbst im 21. Jahrhundert werden Frauen noch systematisch benachteiligt und auf Stereotype reduziert. Doch Kinderliteratur ist und war schon immer ein ganz besonderer Ort, an dem man noch zu hoffen wagt. So hoffe ich ganz fest, dass kommende Kinderbuchautorinnen weitere starke Heldinnen und Helden erschaffen, die kommende Generationen zu mehr Rücksicht und Toleranz und Liebe erziehen werden. Denn Hoffen wird ja wohl noch erlaubt sein…
“Berühmte Kinderbuchautorinnen und ihre Heldinnen und Helden”
von Luise Berg-Ehlers
ISBN 978-3-945543-27-6
Elisabeth Sandmann Verlag
Da sind mehrere Bücherreihen drin, die in mehrere Hinsicht probelmatisch sind:
Pippi: Sexismus, Rassismus, Klassismus;
Heidi: Ableismus, Klassismus;
Trotzkopf: Klassismus, Sexismus, Antifeminismus;
Mary Poppins: Klassismus, Sexismus, Antifeminismus;
Peter Hase bzw die Bücher von Beatrix Potter: Klassismus, Sexismus.
Die Stärke der jeweiligen weiblichen Figuren geht zu Lasten anderer Figuren, die oft selbst weiblich sind.
Es gibt zum Glück heute einige Kinder- und Jugendbücher mit starken Mädchen und Frauenfiguren bei denen das anders ist.
Ich stimme dir darin zu, dass einige Lebenswelten nicht mehr zeitgemäß sind und heute (zum Glück) andere Standards herrschen. Nichtsdestotrotz bewundere ich viele dieser Autorinnen dafür, dass sie im Licht ihrer Zeit gesehen, Feministinnen waren oder zumindest durch das Schreiben von Büchern ihren eigenen Lebensweg gegangen sind. Was ihre Werke angeht: Ich würde dafür plädieren, sie im historischen Kontext zu sehen. Es gibt bestimmt heutzutage bessere Bücher, um Feminismus zu bestärken – wir sind aber auch so priviligiert in einer Zeit zu leben, in der man ein relatives Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern hergestellt hat (zumindest auf dem Papier). Es ist quasi Jammern auf hohem Niveau. Damit will ich Rassismus oder Antifeminismus nicht verharmlosen. Allerdings hätte ich die angeführten Kinderbücher nicht zwangsläufig derer beschuldigt. Oder zumindest nicht allzu harsch.
Aber zum Glück ist man ja nicht gezwungen, diese Bücher zu lesen und kann seinen Kindern Bücher geben, die dem eigenen Empfinden mehr entsprechen. Auch ein ziemlicher Luxus, den wir gerade leben 😉
Der historische Kontext ändert nichts daran, dass diese Diskriminierungen und politischen Inhalte in diesen Büchern sind.
Wie ich schrieb und Du auch: es gibt genug bessere Bücher, die wir unseren Kinder anbieten können.
Ich kann mir vorstellen, dass es interessant sein kann dieses Buch zulesen, gerade, wenn mensch wie ich von vielen diesen Autorinnen als Kind Bücher gelsen hat. Interessant wegen manchen biografischer und sonstiger Infos. Doch Kritik im Kontext Reproduktion von Diskriminierung erwarte ich vor dem Hintergrund der Verlagsbeschreibung nicht, sondern eher weiterere Werbung für die Bücher. Wenn ich mich täusche, würde mich das freuen.
Es gab zu der Zeit auch tolle Bücher von Feministinnnen für Erwacshene geschrieben. Wie z.B. “Herland”. Viellicht gab es auch coole Kinderbücher. Nur sind die noch weniger bekannt als “Herland” geworden und in Vergessenheit geraten? Oder die Autorinnen fanden keine Verlage. Aber Spyri, Lingren & Co fanden Verlage und erhielten Ressonanz. eben weil sie neben dem Postiven auch all diese gesellschaftnorm-etsprechendne Inhalte hatten? Oder wurde diese ihnen evl so gar teilweise vom Lektorat nahe gelegt (so was gibt es ja)? Das fände ich spannend zu erfahren. Cool, wenn dass eine*r erforschen würde, finde ich!
Ich kann dir leider nicht gänzlich folgen. Für mein Empfinden macht es einen Unterschied, in welchem historischen Kontext ein literarisches Werk verfasst wurde. Wenn es für dich anders ist, dann verstehe ich, dass du diese Romane nicht gutheißt. Nur schreibe ich Blogartikel entsprechend meiner subjektiven Gefühle – du musst meine Meinung nicht teilen, aber ich habe das Buch als sehr bestärkend empfunden. Für mein Empfinden beinhaltet es viele spannende Frauen und viele Frauen, die ihrer Zeit weit voraus waren. Vielleicht können wir die Diskussion an dieser Stelle beenden und akzeptieren, dass wir dann wohl verschiedene Ansichten haben.
Ich finde es sehr spannend, die Gesichter hinter den Geschichten zu beleuchten. Enthält das Buch auch Informationen zur Entstehungszeit? Aus meiner Sicht müssen Kinderbücher nicht immer pc sein und nur weil sie unseren Ansprüchen in der jetzigen Gesellschaft nicht genügen, müssen sie nicht gleich verschwinden. Aber ein Austausch mit den Kindern kann sehr sinnvoll und für die Kids auch wirklich interessant sein. Goethe wird ja auch noch gelesen. 😉
Ach Mensch, Anna. Ich sehe deinen Kommentar erst jetzt erst – bitte entschuldige! Der ist mir irgendwie durchgerutscht… Das Buch enthält Informationen zur Entstehungszeit, wenn sie für die Biografie der Autorin sinnvoll sind. Es wäre definitiv noch besser, wenn es z.B. vorne ein Kapitel über genau diese historischen Probleme/Gegebenheiten gäbe. Aber nun gut. Es wäre vermutlich ein unendliches Kompendium, wollte man alle historischen Kontexte ebenfalls abbilden.