In regelmäßigen Abständen empfehle ich Euch nicht nur Bücher, sondern stelle Euch auch meine Lieblingsverlage vor. Wer weiß, vielleicht entdeckt Ihr so, das ein oder andere literarische Schätzchen, das ich nicht auf Lütte Lotte rezensiere. Heute darf ich Frau Lammers, Leiterin des Bohem Verlages zum Interview begrüßen. Den Bohem Verlag sollte man spätestens seit diesem Herbst kennen, “Der Hund, den Nino nicht hatte” von Edward van de Vendel und Anton van Hertbruggen hat den Deutschen Jugendliteraturpreis 2016 in der Sparte Bilderbuch erhalten. Viel Vergnügen mit unserem Gespräch!

Liebe Frau Lammers, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Mögen Sie sich kurz vorstellen?
Danke! Gerne: Ich bin gebürtig aus Westfalen und über Umwege dazu gekommen, Kommunikationsdesign zu studieren. Mein Herz schlug immer schon für Bilderbücher. Seitdem ich denken kann, habe ich ‑„gesucht und gesammelt“. Nach 15 Jahren Selbstständigkeit und diversen Tätigkeiten für die Verlagsbranche, lernte ich durch eine Idee für ein Ausstellungskonzept Wolfgang Hölker kennen. Zunächst als freie Mitarbeiterin für Konzeption, Lektorat und Grafik für Coppenrath/Die Spiegelburg/Hölker Verlag wurde ich Verantwortliche für das Bohem Programm, das bereits über Coppenrath Distribution in Deutschland ausgeliefert wurde. Damals war der Verlag nur in der Schweiz, nun auch in Deutschland. Aber noch immer sind wir ein kleines Team.
Was macht den Bohem Verlag und seine Bücher aus?
Bei allen Bilderbüchern legen wir hohen Wert darauf, dass alles stimmig ist: Nicht nur das rein inhaltliche, also Text und Bild, sondern auch die Ausstattung, Typographie, Papier, Veredlungen. Da es nicht unbedingt selbstverständlich ist, mit diesem Anspruch zu arbeiten, sind unsere Titel auch beliebt bei Sammlern, die schöne Bücher lieben und nicht unbedingt Bücher für ihre Kinder kaufen, sondern für sich selbst. Trotzdem sind bei aller Ästhetik die Geschichten immer so, dass sie absolut für Kinder taugen und sollten nicht so „sophisticated“ sein, dass man seine Zielgruppe aus den Augen verliert. Einbände aus Leinen, fühlbare Prägungen … an diesen Dingen haben auch Kinder große Freude und streicheln unsere Bücher sogar oft.

Was machen Sie als Leiterin des Bohem Verlags im Alltag? Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Da wir trotz der beiden Standorte Schweiz und Deutschland noch immer so klein sind, heißt das für mich „große Vielfalt“. An einem Tag kann viel passieren: Von Verträgen prüfen über Termine mit Illustratoren, Kontakte zu Buchhändlern, Texte redigieren, Grafiken und Layouts erstellen, Absatzzahlen prüfen … alles ist dabei. Da wir vertrieblich vom Coppenrath Verlag unterstützt werden und auch Presseanfragen z. T. dort bearbeiten werden, bekommen wir viel Unterstützung, aber letzten Endes wandert alles einmal über meinen Schreibtisch. Was Arbeit macht, aber auch schön ist. Man ist immer mittendrin und kennt alle Seiten der Tätigkeit im Verlag.
Der Slogan Ihres Verlags ist “Bohem – schöne Bilderbücher”. Was ist für Sie ein schönes Bilderbuch?
Wie schon vorher genannt: Es muss stimmig sein, Schreibstil zum Bild passen, auch wenn das sehr abhängig vom Geschmack des Lesers ist, aber die Details sollten dieselbe Aufmerksamkeit bekommen wie das Grundgerüst. Wenn ein Künstler z. B. sehr großformatig mit pastösen Farben auf mattem Papier arbeitet, ist es schade, für das Buch stark verkleinert auf glänzendem Papier zu zeigen. Da verlieren die Originale dann etwas an Leben. Einem schönen Buch merkt man an, dass alles stimmt, ohne das Perfektion langweilig wird.
Sind Bilderbücher nur etwas für Kinder? Oder ist ein gelungenes Bilderbuch auch etwas, das Erwachsene ästhetisch finden?
Auf jeden Fall. Gerade seitdem sich der Begriff „Graphic Novel“ in den deutschen Sprachgebrauch für künstlerische Comics mit mehr Textanteil geschlichen hat, verschwimmen die Grenzen der Genres. Genau wie man Kindern Bildbände über Malerei als „Bilderbuch“ zum Blättern anbieten kann und auf Interesse stößt, sind Erwachsene, egal welchen Alters fasziniert von illustrierten Geschichten.
Wenn man genau hinsieht und zwischen den Zeilen liest, passieren ja sogar dieselben Dinge im Bilderbuch wie im Roman, nur etwas weniger komplex.
Das Bilderbuch „Leopanther“ ist ein Paradebeispiel: Eine Liebesgeschichte von zwei ungleichen Tieren. Die erste Verliebtheit, Missverständnisse, Streit, gebrochene Herzen – derselbe Stoff wie in einem Erwachsenenroman, aber absolut für Kinder verständlich geschrieben, wobei egal ist, ob wir von inniger Freundschaft oder von Liebe reden. Und gleichzeitig ist es ein Titel, den sich Paare gern zum Valentinstag oder einfach nur so schenken. [Juhu! Gute Neuigkeiten: Ab Frühjahr 2017 wird der Titel neu aufgelegt und erscheint in einer wunderbaren Leinenausgabe im Bohem Verlag.]
Ganz klar: Das Bilderbuch „Allerliebste Schwester“ von Astrid Lindgren, illustriert von Hans Arnold. Es ist ein Schatz aus den 70er Jahren in schrillen Farben, aber leider nie wieder in deutscher Sprache neu aufgelegt, was ich sehr schade finde. Ich hoffe jede Saison auf ein Revival und der Quälgeist in mir erinnert die lieben Kollegen häufig daran, es dem deutschsprachigen Markt wieder zugänglich zu machen. Das wäre großartig.
Vielen Dank für das Interview & nur das Beste für diesen wunderbaren Verlag!