Lütte Lotte ist mein Herzensprojekt. Wer mich kennt, weiß, dass meine allerliebste Bilderbuchfigur fast genauso heißt: Lieselotte! Alexander Steffensmeier, der Erfinder der Postbotenkuh, hat sich mit mir über zehn Jahre Lieselotte, seine Arbeit und Vorbilder unterhalten…
Lieber Herr Steffensmeier, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Wir kennen uns tatsächlich schon seit 2012. Damals durfte ich Sie für eine Kinderveranstaltung in die BUCHBOX in Berlin einladen. Lieselotte hat sich gut gehalten! Den wievielten Geburtstag feiert sie eigentlich im aktuellen Buch?
Das ist immer eine kniffelige Frage. Das erste Buch ist 2006 erschienen, die Buchreihe feiert also ihren zehnten Geburtstag. Aber die Charaktere in Buch- und Fernsehserien altern ja selten in Echtzeit. Ich denke, dass Lieselotte etwa ihren vierten Geburtstag feiert. Vom Wesen und Verhalten her ist sie ja auch ein kindlicher Charakter. (Ich weiß natürlich, dass das biologisch gemogelt ist: als Milchkuh müsste sie natürlich ein erwachsenes Tier mit Kälbchen sein. Aber das würde die Dynamik der Geschichten komplett verändern. Ich denke, diese Freiheit können wir uns in einem Bilderbuch nehmen.)
Das erste Buch über Lieselotte erschien vor 10 Jahren. Was hat sich in dieser Zeit getan? Wie hat sich Ihr Berufsalltag verändert? Sie zeichnen immer noch jedes Buch per Hand?
Der Berufsalltag hat sich eigentlich nicht geändert. Der einzige Unterschied ist, dass ich beim ersten Buch die Figuren passend zu der Geschichte entwickelt habe, und in den folgenden Büchern dann passende Geschichten zu den bestehenden Figuren erfinden musste. Das macht aber großen Spaß, und ich war erstaunt, wie schnell ich ein Gefühl dafür hatte, wie Lieselotte, die Bäuerin und der Postbote auf bestimmte Situationen reagieren würden.
Natürlich ist es bei der Arbeit ganz motivierend (und ein wenig einschüchternd), dass die Reihe so viele Leser gefunden hat. Und auch bei meinen Lesungen weiß nun immer schon ein großer Teil der Kinder, wer Lieselotte ist. Das war in den ersten Jahren natürlich nicht so.
An der Arbeitsweise hat sich nichts geändert: ich zeichne und aquarelliere die Bilder immer noch von Hand. Der Computer hilft mir dann aber beim Layouten der Seiten und ähnlichen Arbeiten.
Hand auf’s Herz, hat man nach so vielen Jahren überhaupt noch Lust darauf, neue Geschichten aus Lieselottes Bauernhofleben zu erzählen?
Ich werde öfters mal gefragt, ob es nicht langweilig wird, mehrere Jahre fast nur Bücher mit einer Figur zu machen. Ich denke, dass ist ein bisschen eine Typ-Frage. Manche Illustratoren und Autoren finden es spannend, ständig neue Figuren und Welten zu erfinden, und andere finden es anregend, ihre Charaktere und deren Umfeld über längere Zeit immer genauer auszukundschaften und kennenzulernen.
“Ich denke, es gibt auf Lieselottes Bauernhof noch Einiges zu entdecken.”
Und wie Sie wissen, kann ich da auch einige Erinnerungen aus meiner Kindheit reinpacken. Auch als Zeichner möchte ich mich weiterhin verbessern. Und da ist die Kuh-Anatomie eine ganz gute Herausforderung…
Außerdem sind die Lieselotte-Projekte ja nicht alle gleich: neben den Bilderbüchern gibt es inzwischen auch Pappen mit verschiedenen Ausstattungen, Beschäftigungs- und Kochbücher, sogar einen Wanderweg in der Schweiz… Da wird die Arbeit nicht eintönig.
Wenn ich mich richtig erinnere, erzählten Sie damals, dass ihr Bruder Landwirt sei und Sie dies zu den Lieselotte-Geschichten inspiriert hätte. Habe ich das noch richtig im Kopf oder war es der Vater?
Mein Onkel Franz ist Landwirt. Er hat einen Bauernhof mit über hundert Kühen in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Meine Eltern und Geschwister leben noch dort. Mein Vater ist auf dem Hof groß geworden.
Ihre Lieselotte-Bücher erzählen nie nur eine einzige Geschichte. Neben der Haupthandlung kann man in den vielen kleinen Illustrationsdetails noch so viel mehr rauslesen: Gerade die Hühner haben ein sehr interessantes Leben auf dem Bauernhof. Wurden Sie da von “Pettersson & Findus” inspiriert oder welche Bücher und Illustratoren beeinflussen Sie?
“Petterson und Findus“ sind in jedem Fall großartig und anregend. Und Nordqvist ist so ein guter Zeichner, das sieht man gerade auch in seinen Sachbüchern. Mir gefällt natürlich besonders die große Detailverliebtheit, aber auch grundsätzlich der Anspruch, in den Büchern eine Welt zu erschaffen, in der man sich gerne auch etwas länger aufhalten und umschauen würde. Außerdem sagt mir freundliche Verschrobenheit immer viel mehr zu als überzuckerte Niedlichkeit…
Ich habe aber auch als Kind schon Illustrationen geliebt, in denen es Details und kleine Nebengeschichten gibt: auch bei Wilhelm Busch und in den Lurchi-Büchern krabbelt ja so einiges am Rande herum. Und in den Asterix-Comics lohnt es sich immer, auch Idefix im Auge zu behalten. Ich liebe auch englische Illustratoren wie Ronald Searle (von dem gibt es auch sehr detailreiche Bilder) und Ralph Steadman.
Und da meine Geschichten in meinem Kopf eigentlich immer in Bewegung sind (was ich bisweilen versuche, durch kleine Comic-Sequenzen zu zeigen), sind auch Trickfilme eine Inspiration: besonders die von Pixar, Hayao Miyazaki, Sylvain Chomet und die alten Disney-Klassiker. Aber auch Comics wie “Calvin und Hobbes” oder die Peanuts.
Noch etwas, das mich seit Jahren beschäftigt. Ich muss es einfach fragen: Sind die Bäuerin und der Postbote nur gute Freunde oder ein Liebespaar?
Ich denke, da gibt es in jedem Fall etwas Chemie zwischen den beiden… Aber ich denke, wir lassen das lieber mal auf ganz kleiner Flamme weiterköcheln. So ist das doch für alle viel spannender…
Vielen Dank für das wunderbare Interview, Alexander Steffensmeier!
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Alexander Steffensmeier wurde 1977 in Lippstadt geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in Ostwestfalen auf. Designstudium mit Schwerpunkt Illustration an der Fachhochschule Münster. 2004 Diplom mit dem Bilderbuch „Lieselotte lauert“ über eine Kuh, die es liebt, dem Postboten aufzulauern und ihn vom Hof zu jagen. Seit 2003 als freier Illustrator für verschiedene Verlage tätig. Arbeitet mit mehreren Kollegen in der Ateliergemeinschaft „Hafenstraße 64“ in Münster.
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“Ein Geburtstagsfest für Lieselotte”
von Alexander Steffensmeier
Fischer Sauerländer Verlag
ISBN-13: 978-3737353687
Erschienen am 25. Februar 2016
Geeignet für Kinder ab 4 Jahren
14, 99 € (D)
Illustrationen aus “Ein Geburtstagsfest für Lieselotte” von Alexander Steffensmeier © 2016 Verlag Fischer Sauerländer
Copyright Autorenfoto: © Frischmuth/Packwitz